Scheurer-Villet Adrienne
Ich wohne mit meiner Familie und unseren Maultieren am Fusse des Niesens im Berner Oberland. Wir bewohnen ein altes Bauernhäuschen und halten unsere Tiere unmittelbar beim Haus. Sie leben im Offenstall und haben ständig Zugang zum grossen Auslauf. Wir geniessen es, die Tiere so nahe bei uns zu haben, auch wenn es manchmal etwas lästig ist, wenn sie bei der ersten WC-Spülung am Morgen lauthals nach Futter SCHREIEN!!

Mein Maultier heisst Ascon und ist ein Importmuli aus Frankreich. Ich hatte sie eigentlich nur für einen Trekk-Sommer bei Marco Gentinetta ausgeliehen.

Ihre schönen Gänge und die so genannte Liebe auf den zweiten Blick haben dazu geführt, dass Ascon mein Muli geworden und geblieben ist. Ascon lebt mit zwei weiteren Mulis und einem sardischen Esel zusammen. Die Tiere gehören zur Familie und werden abwechslungsweise von allen betreut und gefüttert. Zuweilen sind sie unterbeschäftigt und stehen mehr zur Dekoration ums Haus herum ... Alleine das Betreuen, d.h. füttern und putzen braucht täglich mindestens 2,5 Std. Alles was darüber ist, sind die wundervollen Stunden, in denen wir gemeinsam etwas unternehmen. Von einer viermaligen Fütterung sind wir vor zwei Jahren auf dreimaliges Füttern umgestiegen. ich finde aber wichtig, dass sie genügend Nagezeug erhalten, d.h. grobe Äste. Im Winter erhalten sie täglich Futterrüebli, Mineralsalz steht immer zur Verfügung. Am liebsten reite ich  mit anderen Mulireiterinnen zusammen über die Jurahöhen. Fahren ist mit Ascon eher ein riskantes Unterfangen... hat sie doch ziemliche Narben, die von einem Hintergeschirr herrühren. Ascon hat mit mir das Reiterbrevet bestanden, darauf sind wir immer noch ein bisschen stolz. Ganz besonders mag ich an meinem Tier das Vertrauen, welches sie mir entgegenbringt und ihre butterweichen Gänge.


Ein Hauptgrund, ein Maultier zu halten, ist für mich die Trittsicherheit im Gelände und die Besonnenheit, welche vielen Mulis eigen ist, und ihre Fähigkeit, Vorlieben kundzutun und Beziehungen einzugehen. Ehrgeizigen Reitern, welche aus dem Muli ein „Pferd“ machen wollen, würde ich eher abraten ein Muli zu halten. Jeder, der bereit ist, sich auf den gemeinsamen Weg mit einem Muli zu machen (und der kann lang sein), der wird unschätzbare Abenteuer erleben.

Auf Wanderschaft Nach einer Rückenoperation hatte ich eigentlich das Kapitel Reiten abgeschlossen. Dass ich ein so tolles Reittier, wie mein Muli Ascon eines ist, gefunden habe, war ein grosses Glück. Gemeinsam mit ihr habe ich viel Lebensqualität zurück gewonnen. Da in unserer Familie 3 Mulifans leben, lasten Arbeit und Präsenzzeit nicht auf einer Schulter alleine.

Eines meiner schönsten Erlebnisse mit Ascon war unsere Reise, die wir gemeinsam mit unseren Kindern Luzia und Severin unternommen haben. Die Esel Yasser und Miro und die Mulis Rosi und Ascon haben uns von Wimmis bis nach Saignelégier begleitet. (Für einen Bericht darüber reicht die Zeit momentan nicht aus.)

Auf die Interessengemeinschaft für das Maultier (IGM) wurde ich durch Peter Zwahlen aufmerksam. Vor nun ziemlich genau 15 Jahren haben wir unseren Esel Miro (damals hiess er noch Abdullah) bei Peter Zwahlen in Hünibach gekauft – muss ich noch mehr sagen? – Also, als wir ihm berichteten, dass wir auch auf der Suche nach einem guten Freiberger sind, hat er nicht mehr aufgehört, uns die Vorteile eines Maultieres aufzuzählen – mein Mann Peter konnte dem nichts mehr entgegenhalten und wir haben bei Marco Gentinetta unser Rosi gekauft.

April 2006, Adrienne Scheurer-Villet



Texte rechts
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